Rehabilitation bei COPD
Was bedeutet eigentlich Rehabilitation?
Das Wort Rehabilitation bedeutet „Wiederbefähigung“. Es bezeichnet ein vielschichtiges Maßnahmenpaket, welches darauf angelegt ist, die körperlichen, aber auch die seelischen und die sozialen Folgen einer chronischen Krankheit zu vermeiden oder zu vermindern. Auch die Rehabilitation bei COPD umfasst solch ein umfassendes Paket an diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen. Ziel ist, den Patienten wieder zu befähigen, ein möglichst normales Leben zu führen – trotz seiner chronischen Atemwegserkrankung.
Wann ist Rehabilitation bei chronischen Atemwegserkrankungen angezeigt?
Eine Rehabilitationsbehandlung bei COPD ist angezeigt, wenn trotz ambulanter ärztlicher Betreuung Krankheitsfolgen bestehen, welche die alltäglichen Tätigkeiten beziehungsweise das berufliche oder das private Leben behindern.
Eine Rehabilitation ist bei COPD angezeigt:
- wenn trotz ambulanter medizinischer Behandlung anhaltende Krankheitszeichen bestehen (zum Beispiel Atemnot, Husten, Auswurf beziehungsweise Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit und Mobilität zum Beispiel beim Treppensteigen, Heben oder Tragen),
- nach einer Behandlung im Akutkrankenhaus wegen der Atemwegerkrankung (Anschlussrehabilitation = AHB),
- bei Einschränkung oder Gefährdung der Erwerbsfähigkeit,
- bei drohender Pflege- und Hilfsbedürftigkeit,
- bei seelischen Krankheitsfolgen (Depressionen, Ängste, sozialer Rückzug) sowie
- bei der Notwendigkeit von rehatypischen Therapieverfahren, wenn diese ambulant nicht im erforderlichen Ausmaß erfolgen können, zum Beispiel Patientenschulung, Physiotherapie, medizinische Trainingstherapie, Tabakentwöhnung.
Welche Therapiemaßnahmen erfolgen während der Rehabilitation?
Am Anfang der Behandlung steht immer die ausführliche ärztliche Untersuchung, bei der – abhängig von der individuellen Erfordernis und den vorliegenden Vorbefunden – alle notwendigen apparativen Untersuchungsmethoden zur Anwendung kommen (zum Beispiel Lungenfunktion, Untersuchungen von Herz und Kreislauf, eventuell Röntgen oder Ultraschall). Anhand dieser Untersuchungsbefunde wird dann im Gespräch mit dem Patienten aus den unten genannten Therapiebausteinen der „individuelle Rehatherapieplan“ erstellt.
Die wichtigsten Therapiebausteine der Rehabilitation sind:
- fachärztliche Überprüfung und gegebenenfalls Optimierung der medikamentösen Therapie,
- umfassende Patientenschulung,
- spezialisierte Trainings- und Sporttherapie (auch für Schwerkranke),
- spezialisierte (Atem-) Physiotherapie und Krankengymnastik,
- Inhalationstherapie,
- Ergotherapie inklusive Hilfsmittelberatung und Gelenkschutz,
- psychologische Hilfen,
- Entspannungsverfahren,
- Sozial- und Berufsberatung,
- Nutzung klimatischer Faktoren (Schadstoffkarenz).
- Ernährungsberatung,
- Tabakentwöhnung.
Über den Verlauf der Rehabilitation wird ein ausführlicher ärztlicher Bericht erstellt, der für die nachbehandelnden Ärzte wichtige Informationen enthält, insbesondere Empfehlungen zur weiteren Behandlung.
Einige Hinweise zu einzelnen Therapiebausteinen der Rehabilitation
Trainings- und Sporttherapie bei COPD
COPD-Patienten leiden vor allem bei körperlicher Belastung unter Atemnot, was bei vielen zu einer ausgeprägten körperlichen Schon- und Vermeidungshaltung führt. Sehr oft ist die Belastungsatemnot zumindest teilweise auch durch einen Trainingsmangel (mit-) bedingt, der aus der krankheitsbedingten Schonhaltung folgt. Dieser „Trainingsmangel“ führt rasch zu einem verhängnisvollen Teufelskreis (Atemnot à körperliche Schonung à Trainingsmangel à vermehrte Atemnot à noch mehr körperliche Schonung à und so weiter ) und bedingt erhebliche negative Auswirkungen auf die Lebensqualität und das körperliche Leistungsvermögen.
Geeignetes körperliches Training führt hingegen zu einer Zunahme der Leistungsfähigkeit und zu einer Abnahme der Ruhe- und Belastungsatemnot und damit zu einer Verbesserung der Lebensqualität. Das heißt, mittels Sport- und Trainingstherapie können sowohl die körperlichen als auch die psychischen Folgen der Erkrankung gebessert werden (Verringerung der Atemnot, Besserung der Belastbarkeit, Verbesserung der Lebensqualität). Trainierte Patienten müssen zudem weniger oft notfallmäßig ärztlich behandelt oder gar ins Krankenhaus aufgenommen werden.
Die Wirksamkeit der Sport- und Trainingstherapie ist bei Patienten mit COPD wissenschaftlich sehr gut belegt. Deshalb sind Sport und körperliches Training regelhaft Bestandteil der Rehabilitation und sollten auch zunehmend Teil der normalen ambulanten Langzeitbehandlung dieser Patienten sein. Training ist bei COPD-Patienten (mindestens) so wichtig wie die medikamentöse Therapie.
Patientenschulung
Patientenschulung soll den Patienten zum Experten im Umgang mit seiner chronischen Erkrankung machen. Es ist wissenschaftlich gut belegt, dass dies zu einer deutlichen Verbesserung des Krankheitsverlaufes und der Lebensqualität führt. Daher gehört Patientenschulung zwingend zu den Therapieverfahren.
Themen im Rahmen der Patientenschulung sind:
- Aufbau und Funktion der Atmungsorgane
- Krankheitslehre
- nichtmedikamentöse Therapien: körperliches Training, Atem- und Hustentechniken
- Medikamentenlehre und Einüben der korrekten Inhalationstechnik
- Risikofaktoren und deren Vermeidung, insbesondere Tabakentwöhnung
- Selbstkontrolle (Symptomtagebuch, eventuell Peak-Flow-Meter)
- Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Bronchialinfekten
- Verhalten beim Atemnotanfall
- Besondere Behandlungsformen (unter anderem Sauerstoff, Operationen, Heimbeatmung)
Da es sich bei den verschiedene Atemwegserkrankungen um unterschiedliche Krankheiten handelt, erfolgt die Schulung für Asthma- und COPD-Patienten in getrennten Gruppen.
Atem- und Physiotherapie
Atem- und Physiotherapie sind ein wichtiger ergänzender Teil der nichtmedikamentösen Behandlung der chronischen Atemwegserkrankungen. Wichtig sind vor allem das Erlernen von atemerleichternden Techniken und Selbsthilfemaßnahmen (Lippenbremse, atemerleichternde Körperhaltungen, Hustentechnik) in Ruhe und bei körperlicher Belastung.
Sehr wirksam und durch keine andere Therapieform zu ersetzen, ist bei schwerkranken Patienten zum Beispiel ein gezieltes „Geh- und Treppensteigtraining“, bei dem die oben genannten Techniken unter der konkreten Belastungssituation des täglichen Lebens eingeübt werden. Wird dieses Training von einem erfahrenen Therapeuten durchgeführt, sind oft auch schwerkranke Patienten wieder mobilisierbar.
Wichtig ist im Einzelfall auch eine fachgerechte Hilfsmittelversorgung. Hier kommen zum Beispiel Rollator, „Dritte Hand“, Verlängerungen für Schuhlöffel oder Bürsten, Waschbretter (um ein Sitzen in der Badewanne zu ermöglichen) zur Verwendung.
Hustentechniken, apparative und nichtapparative Techniken zur Schleimlösung: Neben der Belastungsatemnot führen insbesondere Schwierigkeiten beim Abhusten zu einer massiven Verschlechterung der Lebensqualität. Daher profitieren die Patienten subjektiv deutlich von einer qualifizierten krankengymnastischen Husten- und Atemschulung. Hier sind auch verschiedene apparative Hilfsmittel wertvoll (Flutter, Cornet und andere).
Von krankengymnastischer Atemtherapie können gerade Schwerstkranke und auch medikamentös nur unzureichend einzustellende Patienten noch profitieren und zusätzliche Lebensqualität erhalten. Daher ist es umso bedauerlicher, dass diese Techniken in den bestehenden ambulanten Praxen für Krankengymnastik kaum angeboten werden.
Ernährungsberatung
Viele Patienten mit fortgeschrittenen Atemwegserkrankungen haben eine stark verminderte Körpermuskelmasse; manchmal kommt es zu einer regelrechten Auszehrung. Dies führt zu eingeschränkter Belastbarkeit mit verminderter Lebensqualität. Umgekehrt konnte gezeigt werden, dass bei untergewichtigen COPD-Patienten durch spezielle (kalorienreiche) Diätformen eine Besserung der Prognose über den weiteren Verlauf der Erkrankung erreicht werden konnte. Da auch bei normal- und übergewichtigen Patienten die Körpermuskelmasse erniedrigt sein kann, gehört deren Messung zur Routinediagnostik der Rehabilitation. Falls sich hier Auffälligkeiten ergeben, wird eine spezialisierte Ernährungsberatung und gegebenenfalls die oben erwähnte hochkalorische Ernährung durchgeführt. Empfehlenswert sind in diesen Fällen kleine, häufige Mahlzeiten. Die Zufuhr von Kalorien sollte zudem möglichst durch körperliches Training ergänzt werden, was während der Reha regelmäßig gewährleistet ist.
Tabakentwöhnungsprogramme
Der Verzicht auf Tabakrauchen ist eine entscheidende Einzelmaßnahme zur Krankheitsverhinderung und Behandlung. Dennoch muss zugegeben werden, dass die Erfolgsrate von Tabakentwöhnungsprogrammen bescheidener ist, als dies wünschenswert wäre. Mithilfe verhaltenstherapeutischer Programme und in Kombination mit medikamentösen Entwöhnungshilfen lässt sich die Erfolgsquote jedoch steigern. Die Voraussetzungen hierfür sind in der Rehabilitation günstig und die Erfolgsraten der Tabakentwöhnung sind in der Rehabilitation durchaus gut. Generell darf innerhalb pneumologischer Rehabilitationskliniken nicht geraucht werden.
Psychologische Hilfen
Psychische Krankheitsfolgen und Einschränkungen der Lebensqualität sind bei chronischen Atemwegserkrankungen häufig. So kann unter anderem die zunehmende Belastungsatemnot zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung im Familien-, Berufs- und Sozialleben führen. Depressionen und Ängste sind daher keinesfalls seltene Ausnahmen und stellen sowohl die betroffenen Patienten als auch die behandelnden Ärzte und das Rehabilitationsteam vor eine schwierige Aufgabe. Durch geeignete psychologische, psychotherapeutische oder auch medikamentöse Hilfen sind hierbei aber meist deutliche Verbesserungen zu erzielen. Patienten mit seelischen Krankheitsfolgen profitieren daher oft in besonderer Weise von einer „multiprofessionellen (das heißt viele verschiedene Berufsgruppen einbeziehende) Rehabilitation, bei der sowohl die körperlichen als auch die seelischen Krankheitsfolgen adäquat behandelt werden können.
Wie wirksam ist Rehabilitation bei COPD?
Die Effektivität der pneumologischen Reha bei COPD ist durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegt. Daher stellt die Rehabilitation bei COPD eine gesicherte Therapieform dar, die aber leider noch viel zu selten genutzt wird.
Gesicherte positive Effekte der pneumologischen Rehabilitation bei chronisch obstruktiver Bronchitis/Emphysem sind in der folgenden Tabelle aufgelistet:
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(modifiziert aus: Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD)).
Zusammenfassung
Rehabilitation kann bei COPD-Patienten zu einer deutlichen Verbesserung des Krankheitsverlaufes führen. Dies ist bei der COPD besonders wichtig, da hier die medikamentösen Möglichkeiten begrenzt sind und die Krankheit unbehandelt einen chronisch fortschreitenden Verlauf nimmt.
Leider wird die Indikation zur Rehabilitation noch zu selten gestellt. Objektiv betrachtet kommt der Rehabilitation aber ein zentraler Stellenwert bei der Langzeitbehandlung zu, was sich auch in den aktuellen deutschen und internationalen Therapieleitlinien widerspiegelt. Daher sollten betroffene Patienten nicht zögern, zusammen mit ihrem behandelnden Arzt bei ihrer Krankenkasse (Rentner und nicht erwerbstätige Patienten) oder bei ihrer Sozialversicherung (Berufstätige, möglich aber auch für Arbeitslose) einen Antrag auf Rehabilitation zu stellen.
Ein Verzeichnis der Reha-Servicestellen finden Sie unter www.reha-servicestellen.de.
Dr. med. Konrad Schultz, Bad Reichenhall
Klinik Bad Reichenhall